Filming Skateboarding - Die Hassliebe zur Sony VX1000

Filming Skateboarding - Die Hassliebe zur Sony VX1000

Choose your fighter

Etwa sieben Jahre ist's her, dass meine erste VX ihren Weg zu mir gefunden hat. Skateboarding Erfurt war so'n bisschen am Stagnieren und ich hatte einfach Bock, dass wieder mehr passiert. Also war meine logische Schlussfolgerung, dass ne Kamera hermuss. Videoprojekte starten, die Freunde zum Filmen bewegen, mehr Skaten. 

Gesagt, getan. Nach einiger Recherche galt es zu entscheiden, welche Kamera es sein soll. 

HPX/HVX wurden damals noch verhältnismäßig wenig genutzt, Strobeck's Cherry für Supreme 2014 könnte man als Kickstarter dieser Kameras sehen. Bis sich der Trend im Skateboard Filming durchsetzte dauerte es noch ein par Jährchen, zudem war mir die Kamera auch schlichtweg zu teuer.

Alternativen des hochdefinierten Spektrums hatten schnell einen sehr cinematografischen Touch und stellten Skateboarding auf eine Art dar, welche mich nur wenig ansprach. Daher, weitersuchen.

Die für mich bedeutsamen Videos dieser Zeit waren Projekte wie The Sour Solution, The Dime Video und basically alles von Bronze56K. Als jebührtiger Rheinländer hat mich das Pants Cessna Money Tape von der Europe Co. ausm Pott damals auch sehr abgeholt, um mal noch was Lokales zu erwähnen. All diese Videos sind mit der VX gefilmt und all diese Videos hatten für mich einen (damals noch nicht erklärbaren, aber) essentiellen Aspekt. Das gezeigte Skaten kam sehr viel dynamischer rüber, es sah spannender aus und wirkte auf mich irgendwie nahbarer. Es fiel mir sehr wesentlich leichter mich mit den Skatenden Personen und dem was ich sah zu identifizieren. So wollte ich auch filmen!

Also ab ins Internetz und checken, wo ich so'ne VX herkrieg. Die VX1000 kam 1995 für sagenhafte 3000$ auf den Markt, wurde jedoch ca. 20 Jahre später fast ausschließlich für Skateboard Filming weitergenutzt, weshalb der Anschaffungspreis 2015 stark gesunken war. Beim "VX-Marktplatz" hast du eine gut funktionierende VX für etwa 250€ bekommen, inklusive Akku und Ladegerät. Tapes gab's bei Saturn fürn Zehner im Dreierpack. Klang erstmal ganz gut, also geordert und gewartet bis das Ding da ist. Dass es vom Zeitpunkt der Ankunft meiner ersten VX noch etwa ein Jahr dauern würde, bis ich meinen ersten gefilmten Clip auf einem Laptop bestaunen durfte, habe ich damals nicht geahnt. 

Am Anfang war Dunkelheit

Die Kamera war also da. Von BAKER Filming Legende Beagle gibt's bei Youtube nen klasse Video zu den richtigen Einstellungen, check! Tape rein, Record drücken und schon läufts. Bis hierhin alles easy. Doch wie krieg ich die Footage nun aufn Laptop? 

Wie man sicherlich erwarten könnte, hat Technik aus den Mittneunzigern nicht gerade an Kompatibilität bezüglich aktueller Geräte gewonnen. MiniDV Tapes, auf denen die VX das Gefilmte speichert, werden über Firewire übertragen. Firewire wiederum ist quasi der Vorgänger vom USB und wurde von diesem gegen Ende der 90er abgelöst. Heißt im Klartext: Firewire und Laptop, ist nicht. Also musste ich mich nach fast 10 Jahren der Abstinenz wieder um einen klassischen Tower-Rechner kümmern, in den Firewire Karten nachträglich installiert werden können. Glücklicherweise konnte ich recht flott einen alten Rechner auftreiben und habe mir auch gleich eine Firewire Karte mitsamt passendem Kabel besorgt. Nun wird empfohlen unter keinen Umständen mit der VX selber zu capturen, da für das  Überspielen die Videoköpfe, der mitunter fragilste Part der Kamera, stark beansprucht werden. Also habe ich mir noch eine Capturecam, ebenfalls von Sony, zugelegt. Hier eignen sich alte Handycams, wie z.b. die Sony DCR-HC. Mittlerweile hatte ich neben der VX nun auch einen "neuen" Computer, provisorisch am Fernseher angeschlossen, sowie eine alte, kaum funktionale Sony Handycam. Klasse. 

Noch größer wurde die Begeisterung, als das Schnittprogramm kein Lebenszeichen meiner Capturecam entdecken konnte. Was zur Hölle. All der Quark und es läuft einfach noch immer nicht.

Recherche. Google, Foren, Youtube. Sucht man spezifische Informationen zu 20 Jahre alten Geräten muss man schon etwas genauer hinschauen. Und so ne richtig einleuchtende Antwort konnte ich auch nicht wirklich finden, jedoch gibt es wohl zwei verschiedene Arten von Firewire, 400 und 800. Ehrlich gesagt hatte ich nicht damit gerechnet, dass das funktionieren würde, auf den anderen Seite hatte ich auch absolut keinen Plan, was ich sonst hätte machen können.

Demnach habe ich mir auch die zweite Firewire Karte, nun 400 und nicht 800, bestellt, angeschlossen und ein letztes Gebet gen VX Gott gesandt. Und wer hätte es gedacht, es lief! Selten war ich stolzer auf die technische Errungenschaft, welche ich soeben geleistet hatte. Ich hatte diese 20 Jahre alte Maschine besiegt und gebändigt.

VX1000 als Spiegel bei der TOFAKIE release party

 

Raymod, MK2, MK1

Als nächstes Stand die Wahl des richtigen Equipments zur Debatte. Um Abwechslung ins Filming zu integrieren benötigt es ein Fisheye. Und gerade auch nach Anbruch der Dunkelheit will man die VX nicht ungenutzt lassen, daher noch Licht.  

Beim Fisheye gibt es drei gängige Alternativen. Das sogenannte Raymod ist die Low Budget Bastler Version. Man besorgt sich ein Raynox MX3000 Fisheye, sowie ein 35mm Sony Objektiv. Dieses Sony Objektiv wird auseinandergenommen und, um den Winkel des Fisheyes zu strecken, wird darauf dessen mittlere Linse mithilfe von Heißkleber in das Raynox geklebt. Perfekt, das klingt als könne absolut nichts schief gehen. Und weil die Alternativen das 3 bis 10 fache gekostet hätten, hab ich mich dem ganzen auch angenommen. 

Zu meiner großen Verwunderung verlief die Operation auch erstaunlich glatt. Linse raus Kleber drauf, Linse rein und schon hatten wir links und rechts je nen guten Meter mehr zu sehen. Dies war fürs erste mein Set-Up, Clips davon kann man in unserem ersten Erfurt Tape sehen.

Die etwas besseren Alternativen zum Raymod sind Opteka oder MK2. Das MK2 hab ich selber nie gesehen oder genutzt und kann dazu nichts sagen. Vom guten Tommy Buder durfte ich jedoch zeitweise sein Opteka 0,3x Ultra Fisheye leihen. Dieses ist noch etwas weiter, kostete aber auch etwa das dreifache vom Raymod. Leider weiß ich schon garnicht mehr was genau ich mit dem Fisheye gefilmt habe, da ich recht zeitnah darauf vom Höchsten der Weitwinkel Linsen gesegnet wurde.

Dem Century Optics MK1 aus dem Hause Schneider-Kreuznach. Die VX und das MK1 sind einfach ein unschlagbares Team. Der extrem weite Winkel der Linse ermöglicht es beim Filmen so nah wie nur möglich an das Geschehen ranzugehen. Unnötig zu erwähnen, dass dies dem dynamischen Look der Footage äußerst unterstützend zu Gute kommt. Und ich durfte und darf bis heute mit ihr filmen. Da das Teil nicht gerade günstig ist, habe ich mir noch einen Tadashi Filter bestellt. Dies ist ein Schutzglas, welches vor das MK1 gespannt wird. Im falschen Licht sieht man leider eine leichte Spiegelung in der Mitte des Bildes, aber im Großen und Ganzen geht's schon klar und mindert die Qualität der Footy nur unwesentlich. Ich nutze diesen auch fast nur in Lines wo hier und da schon mal ein Brett zurückschnappen könnte. In solchen Situationen hat der Filter dem Fisheye und mir sicher 4,5 mal bereits den Arsch gerettet. Footage mit dem MK1 findet man auf unserem Youtube Kanal ab dem "VX1000"-Video.

MK1 mit Tadashi Filter

 

Beim Licht war's eher pragmatisch. Möglichst nicht zu teuer und hell. Da habe ich mit dem Yongnuo 300 & 600 ein gutes Paar zu einem erschwinglichen Preis gefunden. Das 300er kann auf der Kamera montiert werden und funktioniert auch allein schon ganz gut. Um den Spot komplett auszuleuchten ist das 600er die perfekte Ergänzung.

Und sie lebten glücklich bis ans Ende

Ich war wirklich erstaunt, wie schnell man filmtechnisch halbwegs vorzeigbare Ergebnisse mit der VX erzielen konnte. Um nicht zu sagen: Die Kamera verzeiht filmerisches Unvermögen sehr viel mehr als manch andere. Einfach halbwegs nah ran und immer schön aufn Bauchnabel zielen. Mit dem MK1 haben sich dahingehend die Möglichkeiten natürlich enorm erweitert. Es gibt quasi kein zu nah dran, solange der Winkel zum Geschehen stimmt. Den gilt es an jedem Spot, für jeden Trick neu zu finden, was das Filmen mit der VX wahnsinnig spannend macht. An sich könnte die Geschichte hier auch vorbei sein, jedoch sollte man sich mit Jahrzehnte alter Technik eher nicht auf ein "happily ever after" einstellen.

Denn vor ca. 3 Jahren beschloss die MiniDV Industrie die Produktion der Tapes einzustellen. Die noch Verbliebenen werden seitdem zu mitunter astronomischen Preisen auf einschlägigen Plattformen angeboten, also stand ich erneut vor einem nicht ganz unwesentlichen Problem. Von Alternativen zum Tape hatte ich bis dato nichts gehört, also habe ich erstmal Kleinanzeigen auf bezahlbare Tapes abgesucht. Eher zufällig stolperte ich dann bei Youtube auf Videos über Recorder, die an die VX angeschlossen werden können und auf denen alternativ zum Tape das Gefilmte aufgezeichnet wird. Davon möchte ich noch die mir Bekannten vorstellen:

Mein erster Versuch auf tapeless umzustellen war mit dem ImmersionRC Powerplay. Ein kleiner Bildschirm, welcher eigentlich genutzt wird um Kunstflüge ferngesteuerter Flugzeuge aufzuzeichnen. Manchmal hat man in der Auseinandersetzung mit der VX so Momente, in denen man sich fragt, wie man hier eigentlich gelandet ist. Aber im Grunde lief das mit dem Powerplay ziemlich fluffig. Der externe Bildschirm, welchen man an der VX1000 vergeblich sucht, ist natürlich recht hilfreich. Leider wird der Recorder über die dreifarbigen Chinch Stecker an der Kamera angeschlossen und nicht über den Firewire Anschluss. Dadurch gehen wichtige Daten bei der Übertragung verloren und das Bild hat nicht die gleiche Qualität wie vom Tape. Es geht schon klar, aber auf lange Sicht wollte ich nicht an Qualität einbüßen. In unserem "Immersion" Clip könnt ihr euch selbst ein Bild machen.

Immersion RC Powerplay an der VX1000

 

Also hab ich weitergesucht und bin auf den Sony HVR-MRC1 gestoßen, welchen ich auch heute noch nutze. Der HVR ist schon etwas weniger intuitiv aufgebaut, aber nach einigen anfänglichen Schwierigkeiten bin ich inzwischen sehr zufrieden mit der Anschaffung. Da der Recorder per Firewire Kabel angeschlossen wird, gibt es keine Qualitätsverluste, zudem hat man mit einer 64GB Compact Flash Speicherkarte Speichervolumen für fast 3 Tapes. Lediglich in Kombination mit Licht wird's ganz schön ausladend an, bzw. auf der Kamera. Sowohl Licht, als auch den HVR bringe ich am Coldshoe  auf der Kamera an. Um beide drauf zu kriegen musste ich eine extra Schiene bestellen, die wiederum 2 Anschlüsse besitzt. So habe ich nun auf der Kamera links den HVR, rechts das Licht. Nicht gerade optimal, aber die einzig sinnvolle Lösung.

Sony HVR-MRC1 an der VX1000

 

Des Weiteren gibt es noch den Focus Enhancements FS-100, welcher jedoch brachial riesig ist. In Kombination mit dem dazu erhältlichen Käfig zum Befestigten  an der Kamera hat man gewichtstechnisch eine zweite Kamera hinzugefügt. Der Datavideo DN60 ist eine weitere Alternative. Mit diesem habe ich jedoch noch keine Erfahrung, hier könnte Terra Enigma Filmer Lars Baldauf sicher weiterhelfen.

Warum das alles nochmal?

Vermutlich haben's bis hierher auch nur die ebenso geschundenen VX-Seelen, wie die meinige, geschafft, auf der Suche nach Erlösung, nach der Antwort auf die Frage: "Warum tun wir uns das noch an?" 

Für mich gibt es diverse Gründe trotz steigender Beliebtheit von HD Kameras und komplizierter werdenden Prozessen bezüglich tapebasierter Systeme an der Sony VX1000 festzuhalten. Einerseits habe ich soviel durchgemacht, soviel Zeit investiert, recherchiert, Kameras auf und zugeschraubt, Flachbandkabel gewechselt, Videoköpfe gereinigt undsoweiter, dass ich nicht bereit bin das alles hinter mir zu lassen. Man baut in diesem Prozess eine Bindung zu seinem Equipment auf, man hasst es, man liebt es. Wenn das Firewire Kabel mal wieder nen Wackler hatte und in der Mitte der Line abgebrochen hat zu filmen, könnte man die ganze Karre einfach nur vor die Wand schmeißen. Wenn man aber nach diversen Stunden des Filmens einen Trick im Kasten hat und abends aufm Computer endlich das Ergebnis sehen kann, man sich bereits vorstellen kann zu welchem Track der Clip gut käme und am Liebsten gleich wieder losziehen würde, weiß man, dass es das alles wert ist. Die VX hat einfach ihren einzigartigen Look, den andere Kameras nicht bieten können. Der schmalere Bildausschnitt, die geringere Framerate und ihr CCD-Sensor bieten die perfekte Kombination für Skateboard Filming. Zudem ist sie darüberhinaus ein Teil der Skateboarding Geschichte und schlägt für mich bis heute die Brücke zwischen dem Kern aus dem modernes Streetskaten in den 90ern entstanden ist und aktuellen Inhalten. Man bewahrt einen Teil dieser Geschichte, füllt ihn jedoch mit neuem Input. Daher übersetzt sie auf videografische Weise auch perfekt den Kern von TOFAKIE. Die Geschichte wahrend, während man sich aber nach vorne bewegt. Sehr metaphorisch ausgedrückt, ab und zu darf man auch mal ausschweifen.

Solltet ihr weitere Fragen zu oder Probleme mit eurer VX haben, dann schreibt mir gerne an tilman@tofaki3.de . Ich bin zwar nach wie vor kein Experte, habe mich aber zwangsläufig inzwischen mit einigen auftretenden Problemen beschäftigen dürfen. Vielleicht kann ich zumindest hilfreiche Tips geben.

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